Das nachfolgende Interview wurde von Anna Morf www.innercoach.ch über mich gemacht
Anna: Mit meiner Interview-Reihe will ich aufzeigen, dass Hochsensibilität nicht nur Handicap sein muss. Heute möchte ich euch eine junge Frau vorstellen, die mit ihrer ausgeprägten Feinfühligkeit umzugehen gelernt hat und heute sogar ihren Traum als Malatelierleiterin APK lebt: Angelika.
Liebe Angelika, schön bist du zu diesem Interview bereit. Magst du dich vorstellen?
Hallo Anna. Ich heisse Angelika Furrer und komme aus Winterthur und bin bald 30 Jahre alt. Ich bin gerne kreativ unterwegs und in meiner Freizeit gehe ich in ein Fitnesscenter. Zudem besuche
ich regelmässig eine Freikirche und bin dort mit jemandem zusammen Leiterin im Gebetsteam vom Hörenden Gebet.
Als was bist du tätig?
Zurzeit bin ich voller Leidenschaft am Aufbau meines Business. Ich biete Maltherapien, Einzel- und Gruppenkurse an. Neu auch Kurse für Hochsensible oder Eltern von hochsensiblen
Kindern.
Ein paar Stunden in der Woche arbeite ich als Kurs-Assistenz in einem Kurs für Menschen mit Beeinträchtigungen.
Welche Erfolge machen dich noch heute stolz auf dich selber?
Mein grösster stolz ist, dass ich nach über 710 Stunden verteilt auf 3 Jahre mein Zertifikat als Malatelierleiterin APK erfolgreich erhalten habe. Ebenfalls stolz macht es mich, dass ich den
Schritt in die Selbstständigkeit gewagt habe und viele positive Feedbacks erhalten habe. Und dass ich es bis hierhin geschafft habe und mir noch so viele weitere Türen offen stehen werden.
Wann hast du gemerkt, dass du anders bist?
Erst als meine Naturärztin mir sagte, ich sei hochsensibel, wurde es mir ganz bewusst (dies war vor etwas mehr als 5 Jahren). Aber wenn ich so darüber nachdenke, gab es immer wieder Momente,
die darauf hindeuteten. Zum Beispiel spürte ich einmal als Kind die Emotion eines Delphins, der in Gefangenschaft war. Ich stand neben seinem Becken und freute mich zu Beginn über dieses
wunderschöne Tier. Ich sah ihm zu wie er hin und her schwamm und plötzlich spürte ich, dass es ihm nicht gut ging. Ich spürte damals wie unglücklich er war. Die plötzliche Wahrnehmung über sein
emotionales Wohlbefinden irritierte mich sehr. Ich teilte es daraufhin meinen Eltern mit, sie glaubten mir sofort, doch helfen konnten sie weder mir, noch dem Tier. Sie hatten schlicht kaum Worte
um mir meine eigenen Gefühle erklären zu können. Mich beschäftigte dieser Vorfall danach noch lange.
Was genau ist „anders“ – was ist deine Ausprägung der Hochsensibilität?
Ich habe eine sehr ausgeprägte Innen Wahrnehmung. Zum Beispiel spüre ich ganz gut meine Blase egal ob sie leer, voll oder etwas dazwischen ist. Zudem kann ich mein Herz gut spüren und
manchmal merke ich sogar wie mein Blut in meinem Körper zirkuliert. Glaube mir ich weiss wie abgedroschen das klingt, aber ich kann es wirklich fühlen.
Ich habe aber auch eine gute Wahrnehmung auf Stimmungen im Raum. Zum Beispiel kann ich spüren, ob es knistert im Raum oder ob alles entspannt ist. Wenn ich eine Person direkt vor mir habe,
kann ich manchmal fühlen, wie sich ihre Stimmung verändert. Meistens spüre ich dies in genau dieser Sekunde und eine weitere Sekunde später sagt es mir die Person dann. Besonders die Anzeichen
von Entspannung sind für mich durch meine Wahrnehmung und das Lesen der Mimik und Gestik des Gegenübers sehr gut erkennbar. Hat es die Person nicht gemerkt und spreche ich sie darauf an, kommt
meistens eine Bestätigung.
Wie bist du damit umgegangen?
Ich hatte und habe das grosse Glück verständnisvolle Eltern zu haben. Ich konnte mit allen meinen „komischen“ Wahrnehmungen zu ihnen gehen und sie glaubten mir. Sie nahmen meine Gefühle immer
ernst und es gab nie eine Wertung von ihrer Seite. Im Gegenteil, sie bestärkten mich immer in meinen Gefühlen. Sie gaben mir mit auf den Weg wie wichtig es ist auf seine Gefühle zu hören, sie
anzunehmen und danach zu handeln. Sie waren und sind heute noch einer meiner Anlaufstellen für Fragen über meine Emotionen.
Wie beeinflusst die Hochsensibilität dich heute im Alltag?
Ich habe einen guten Umgang damit gefunden. Zum Beispiel achte ich mich auf Reizüberflutungen und gehe nur dann ins Stadtzentrum, wenn ich mich wohlfühle. Oder ich beschränke die Zeit (auf 2
Stunden zum Beispiel) und versuche dabei Menschenmengen auszuweichen, wo das möglich ist. Zu Hause nehme ich mir immer einige Stunden oder manchmal auch nur 30 min Zeit am Abend um alleine zu
sein. Habe ich diese Zeit nicht, fehlt mir etwas. Mir hilft auch tagsüber das Power Napping (kurzer Schlaf von 15 min) um meine Batterien wieder aufzufüllen.
Welche Tipps haben dir geholfen?
Der Tipp mit dem Power Napping war sehr hilfreich. Und als du, Anna, mir dann auch noch gesagt hast, ich müsse es nicht nur auf einmal am Tag beschränken, ich dürfe es mir auch erlauben
öfters ein Power Napping in Anspruch zu nehmen, öffnete sich für mich eine neue Türe der Erkenntnis.
Geholfen hat auch, mir meine Alleinsein Zeit bewusst zu nehmen. Dies werde ich auf jeden Fall auch später beibehalten.
Welchen Rat würdest du anderen HSP geben?
Nimm deine Gefühle ernst. Versuche sie anzunehmen und als Teil von dir selbst zu sehen. Vertraue auf deine Intuition und wenn es angebracht ist, handle danach. Es braucht manchmal Mut einen
Schritt zu wagen, sich auf das Glatteis zu bewegen, aber oft geht man stärker wieder davon runter. Wenn du jemanden in deinem engsten Freundeskreis hast, der dich sogar noch versucht zu verstehen
und es vielleicht sogar ansatzweise schafft, dann kannst du dich glücklich schätzen. Für alle die das nicht haben: Wir sind da. Irgendwo da draussen gibt es jemand der dich versteht. Uns HSPler
gibt es vielleicht nicht wie Sand am Meer, wir sind nicht die lautesten, aber wir sind da.
In welchen Situationen ist deine Hochsensibilität von Nutzen für dich?
In meinem Therapeutischen Setting oder bei meinen Kursen ist es sehr hilfreich. Ich kann zum Beispiel den Personen ansehen, wenn sie eine Pause brauchen oder etwas nicht verstehen, was ich
sage. Durch diese feinfühligen Antennen, habe ich gleichzeitig auch eine grosse Hilfe besonders bei der Ursachen Forschung. Durch die Rückfragen kann ich dann noch gezielter auf die Person
eingehen. Und das schöne, die meisten Menschen fühlen sich nach einer solchen Sitzung oder auch in einem gewöhnlichen Gespräch verstanden. Diesen Satz: „Du verstehst wirklich was ich meine“, nach
einem solchen Gespräch zu hören tut gut, besonders da ich selbst am besten weiss, wie es sich anfühlt, nicht verstanden zu werden.
Vielen herzlichen Dank, liebe Angelika, für dein Interview. Ich wünsche mir, dass viele Menschen zu dir ins Malatelier finden. Anna Morf